Vortrag von Prof. Dr. Tobias Hodel auf dem 82. Südwestdeutschen Archivtag in Balingen.
Die Einführung von ChatGPT im Jahr 2022 durch OpenAI löste in der Akademie, Behörden und der Kreativindustrie einen Aufschrei aus: Die Möglichkeit, qualitativ hochwertige Texte jeglicher Art mit nur einem gezielten Anstoß („prompt“) zu generieren, schien in greifbare Nähe gerückt zu sein. In den vergangenen Monaten wurde dieses Thema intensiv diskutiert, und allmählich hat sich ein Konsens herausgebildet, dass die kritische Zusammenarbeit mit Generatoren und Chatbots in einigen Bereichen hilfreich sein kann, während andere Bereiche besser nicht auf deren Ausgaben angewiesen sein sollten.
In seinem Beitrag erläutert Tobias Hodel die technische Grundlage von Large Language Models in aller Kürze und diskutiert dabei die Chancen und Risiken. Aus der Perspektive von Archiven und historischen Wissenschaften ist eine produktive Zusammenarbeit denkbar, die insbesondere bei der Verarbeitung und Auswertung großer Datensätze Erleichterung bringen kann.
Der Begriff "Chat mit den Archivalien" mag zunächst seltsam klingen, aber er stellt eine mögliche Form dar, um umfangreiche Konvolute oder digitalisierte (textuelle) Findmittel zugänglich zu machen. Auch die umfassende Erschließung und Einbindung in archivarische Beschreibungsdaten kann mithilfe von Sprachmodellen und anderen maschinellen Lernansätzen unterstützt werden.
Voraussetzung dafür ist nicht nur eine kritische Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten, sondern auch die aktive Anwendung und Bereitstellung von offenen Datensätzen, um die Systeme an die Bedürfnisse von Erinnerungsinstitutionen anzupassen und gleichzeitig die Algorithmen und ihre Grundlagen besser zu verstehen
Zum Referenten
Tobias Hodel ist Assistenzprofessor für digitale Geisteswissenschaften an der Universität Bern (tenure-track). Seine Forschung konzentriert sich hauptsächlich auf maschinelles Lernen in den Geisteswissenschaften, insbesondere Texterkennung und Informationsextraktion aus vormodernen Quellen. Hodel promovierte in Geschichtswissenschaften an der Universität Zürich und leitete das E-Learning-Projekt „Ad fontes“ sowie das digitale Editionsprojekt „Urkunden und Akten des Klosters Königsfelden (1300-1600)“.